Montag, 21. September 2020
Sommer 2020 – Im Freibad mit Loriot
- Aua, passen Sie doch auf!
- Halten Sie gefälligst Abstand! Sie schwimmen auf
meiner Bahn, mein Herr.
- Verzeihung.
- Wie sind Sie überhaupt auf meine Bahn gekommen?
- Ich kam aus der Umkleidekabine und bin den
Wegweisern gefolgt. Das Bad ist etwas
unübersichtlich gebaut.



- Gestatten, Müller-Lügenschneid, Drug-Research-
Manager.
- Angenehm, Gröber, Dr. Gröber, Mitglied des
Deutschen Bundestages.
- Na, macht ja nichts. Herr Dr. Gröber, benutzen Sie
häufiger Fremdbahnen für Ihre Schwimmübungen?
- Herr Müller-Lügenschneid, ich mache gar keine
Schwimmübungen, weil Sie die Bahn mit Ihrem
Wassertreten blockieren.
- Herr Dr. Gröber, wenn Sie meine Bahn verlassen
würden, würde ich mich nicht gezwungen sehen,
weiterhin auf der Stelle zu treten.
- Wassertreten ist genau so gesund wie
Bahnenschwimmen, sagt mein Immunologe.
- Herr Dr. Gröber, mich interessiert nicht, was Ihr
Immunologe Ihnen empfiehlt. Meine Frau und ich
bevorzugen Bahnenschwimmen.
- Wo ist denn Ihre Frau?
- Die Dame dort auf dem Sprungturm mit dem
rosafarbenen Elefanten-Bikini.
- Oh.
- Sagen Sie gefälligst nicht „Oh“ zu meiner Frau!
- Ich hätte genauso gut „Ah“ sagen können. Seien Sie
doch nicht so empfindlich!
- Ich lasse mir von Ihnen doch nicht sagen, wie
empfinglich ich mit meiner Frau sein soll. Wo kämen
wir denn da hin?
- Herr Müller-Lügenschneid, ich mische mich prinzipiell
nicht in die ehelichen Angelegenheiten anderer Leute
ein.
- Das möchte ich mir aber auch verbitten, Herr Dr.
Gröber!
P l a t s c h
- Herr Müller-Lügenschneid, Ihre Frau ist gerade vom
Turm gestürzt.
- Herr Dr. Gröber, das war ein Salto mit linksgedrehter
Schraube.
- Ach so.
- Meine Frau war in ihrer Jugend mehrfache
Bezirksmeisterin im Turmspringen.
- Ach daher.
- Wieso?
- Nur so.
- Wie?
- Ich mein ja nur.
- Ja, was denn Herrgott?
- Sie sind so fanatisch.
- Wie bitte?
- Ich mein ja nur.
- Herr Dr. Gröber, meine Frau und ich sind
leidenschaftliche Wassersportler und wir lassen uns
von Ihnen doch nicht aus der Bahn werfen!
- So so.
- Jawohl!
Q u a c k Q u a c k...
- War das eine Möwe?
- Wohl eher eine Ente.
- Sie wissen wohl immer alles besser?
- Herr Müller-Lügenschneid!
- Herr Dr. Gröber?
- Wenn Sie jetzt endlich einen halben Meter zur Seite
schwimmen würden, damit ich meine Bahn beenden
kann.
- Was heißt denn Ihre Bahn? Ich war schließlich zuerst
hier!
- Also bitte sehr, Herr Müller-Lügenschneid, dann
schwimme eben ich jetzt zur Seite.
- Wer hier auf meiner Bahn zur Seite schwimmt, das
bestimme immer noch ich, Herr Dr. Gröber!
- Sie haben mir gar nicht zu sagen, ob ich zur Seite
schwimme oder nicht! Das ist immer noch ein freies
Land für freie Schwimmer!
- Herr Dr. Gröber! Ich schwimme jetzt zur Seite!
- Das hätten Sie wohl gern, Herr Müller-Lügenschneid,
hier den Galanten geben! Ich schwimme jetzt aber
zuerst zur Seite, hah!
- Vorsicht!
- Aua. - Jetzt bekomme ich bestimmt eine Beule.
- Ziehen Sie doch Ihre Badehaube drüber.
- Herr Müller-Lügenschneid, ich trage doch gar keine
Badehaube.
- Ach?
- Das ist mein Mund-Nasen-Schutz.
- Sollte der nicht über Mund und Nase getragen
werden statt auf dem Kopf?
- Was geht Sie das an, wo ich meinen Mund-Nasen-
Schutz trage?
- Aber der soll doch schließlich schützen.
- Schützen?
- Ja, schützen.
- Ja, um Gotteswillen wovor denn?
- Na, vor den Viren.
- Welchen Viren?
- Na, allen Viren eben.
- Ach.
- Und Bakterien.
- Tatsächlich?
- Ja ja.
- Wo ist denn Ihr Mund-Nasen-Schutz?
- Ich trage keinen.
- Ja, wieso denn nicht?
- Ich bin befreit.
- Was Sie nicht sagen.
- Doch doch.
- So so.
- Eben drum.
P l a t s c h
- Herr Müller-Lügenschneid?
- Ja, Herr Dr. Gröber.
- Ich glaube, da treibt das Bikini-Oberteil Ihrer Frau.
- Ach was.
- Doch doch.
- Na dann.
Q u a c k Q u a c k...
- Ich glaub, ich krieg einen Krampf.
- Da hilft Magnesium.
- Tatsächlich?
- Ja ja.
- Na denn.
Q u a c k Q u a c k...
- Meine Haut fängt schon an zu schrumpeln.
- Meine auch.
- Ich verlasse jetzt das Becken.
- Sie wissen aber auch nicht, was Sie wollen.
- Wie bitte!
- Eben wollten Sie noch Ihre Bahnen schwimmen und
im nächsten Moment wollen Sie raus!
- Na und?
- Ich mein ja nur.
- Eben.
- Ich geh dann auch raus.
- Na, das ist ja wohl die Höhe! Da mache ich Ihnen
Platz und dann wollen Sie meine Bahn plötzlich nicht
mehr, Herr Dr. Gröber!
- Das hab ich so ja gar nicht gesagt.
- Was haben Sie denn gesagt?
- Dass ich jetzt rausgehe.
- Sag ich doch!
- Nein, eben nicht.
- Doch wohl.
- Ich hab´s aber nicht so gemeint.
- Wie denn dann?
- Na, nur eben, dass ich jetzt rausgehe und nicht, dass
ich die Bahn nicht mehr schwimmen will.
- Aber das ist doch dasselbe!
- Eben nicht.
- Doch wohl!
- Nein, höchstens das gleiche.
- Wie jetzt?
- Na, dasselbe ist doch nicht das gleiche.
- Herr Dr. Gröber!
- Herr Müller-Lügenschneid?
- Sie gehen einem wirklich auf die Nerven!
- Man muss aber doch immer korrekt sein.
- Sie tragen ja nicht mal einen korrekten Mund-Nasen-
Schutz!
- Doch, trag ich wohl!
- Ja, aber auf dem Kopf. Dann ist es höchstens ein
Kopfschutz.
- Der schützt doch auch vor Viren, nur eben auf dem
Kopf.
- Da gehört er aber nicht hin.
- Wer sagt das?
- Alle.
- Ich lasse mir doch nicht vorschreiben, wo ich meinen
Virenschutz tragen soll!
- So macht er aber keinen Sinn.
- Für mich schon.
- Ja, aber darum geht es nicht.
- Worum geht es denn dann?
- Äh..
- Ja, sehen Sie.
- Herr Dr. Gröber! Sie müssen wohl immer das letzte
Wort haben!
- Nicht immer.
- Ach nein?
- Ich geh jetzt raus.
- Unterstehen Sie sich! Nicht, wenn ich zuerst gehen
will!
- Das werden wir ja sehen!
- Herr Dr. Gröber! Lassen Sie gefälligst meine
Badehose los!
- Nur, wenn Sie Ihren Fuß aus meinem Gesicht
nehmen, Herr Müller-Lügenschneid!
- Ich denke gar nicht daran! Schließlich wollte ich
zuerst aus dem Becken.
- Na bitte, jetzt haben Sie den Bademeister
aufgescheucht.
- Sie haben doch angefangen!
- Ich wollte hier einfach in Ruhe schwimmen.
- Wassertreten trifft´s wohl eher.
- Herr Müller-Lügenschneid!
- Herr Dr. Gröber!
- Mit Ihnen teile ich nie wieder eine Bahn!
- Pah!
- Und vergessen Sie Ihre Badehose nicht!
- Und Sie Ihren Kopfschutz!
- Mund-Nasen-Schutz!
- Ja, den auch.

© Petra Luise

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